GG6Durch die Griese Gegend

ging es vom 23. bis 25. August 2013

.27.08.2013 | Fotos: Maximilian Poelzig & Stephan Schnigge | Text: Gisela Poelzig .

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Hat man bei Dömitz die Elbe ostwärts gequert, ist die Mecklenburg-Vorpommersche „Griese Gegend“ erreicht, die sich bis nach Ludwigslust erstreckt. Eine karge, dünn besiedelte Landschaft mit einem ganz eigenen wildromatischen Reiz bietet ideale Reitbedingungen. Die lichten Kiefernwälder sind wildreich, Greifvögel finden fette Beute. Schon zu Kaisers Zeiten waren die wenig ertragreichen Böden gerade gut genug für die „armen Leute“. „Mit dem griesen (grauen) Sand kannst du sofort Beton anmischen“, sagt Claus Angelbeck, der sich 1995, aus Hamburg kommend, mit seiner Familie hier in Stuck, niederließ.

Als Ausrichter zahlreicher Distanzveranstaltungen haben sich die Angelbecks seit 1985 einen Namen gemacht. Beispielsweise wurde der 100-Meiler „Hannover-Hamburg“ fünfzehn Jahre lang von ihnen veranstaltet. Im Jahre 1996 fand der erste Ritt „Durch die Griese Gegend“ im Spätsommer statt und ist seither ein fester Termin für viele Reiter. Vor zwei Jahren gaben Elke und Claus Angelbeck das Zepter an ihre Töchter Vivien und Wiebke weiter. Dass sie die Erfahrungen des Ausrichtens sozusagen mit der Muttermilch aufgesaugt haben, ist unübersehbar. Perfekte Organsisation, die Auswahl idealer Tierärzte und eine Helfercrew, die „man“ und „sich“ kennt, eingespielt und gelassen ist, die reichlich vorhandenen Paddockplätze, gute Versorgung für Reiter und Tross und ein offenes Ohr für jedes auftauchende Problem, das gemütliche Zusammensitzen ums Lagerfeuer am Abend, machen die Ritte hier zu kleinen Urlauben. Man kommt immer wieder „entschleunigt“ und entspannt nach Hause.

Auffallend ist, dass auch die Pferde, die hier das komplette Programm der VDD-Ritt/Fahrt-Längen, von der Einführungsstrecke bis zum Hundertmeiler absolvieren können, ganz offenbar von der Atmosphäre profitieren. Selbst junge kribbelige Hengste werden hier plötzlich zu „coolen Socken“.

Petrus hatte es wieder einmal gut gemeint: Die endlosen breiten Sandpisten, die bei langer Trockenheit ungründig tief wie Backpulver werden können, waren zur Wochenmitte noch einmal reichlich gesprengt worden und boten nun festen, elastischen Boden. Ein stetiger Wind kühlte Reiter und Pferde bei sonnigen Tagestemperaturen um die 24 Grad.

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Die Stars des Tages waren zweifellos die Hundertmeilerpferde. Der neunjährige Vollblutaraberhengst Tabajan unter seiner jugendlichen Reiterin Nele Fleck bestritt hier seinen ersten Ritt über 160 Kilometer. Der Hengst ist beim ZSAA gekört und stammt von „Sajeed Ibn Sharik“ aus einer Tochter des Weltchampions „Taladin“. Schon bis zur 120 km langen Strecke und zuletzt bei der Deutschen Jugendmeisterschaft gut dabei, kam er mit absolut sauberen Werten in das Gate bei Kilometer 120. Und hatte Pech, denn den letzten 40er-Loop sollte er nun allein bestreiten. Er war der Einzige, der sich beim Re-Check wieder qualifizieren konnte. Vom Paddock aus, also „weg von zu Hause“, nun noch einmal mit vollem Vergnügen durchzustarten, war nicht genau das, was er sich als Tagesabschluss vorgestellt hatte und Nele hatte gewiss zu tun, ihn weiter richtig zu motivieren.

Zur Hilfe kam den beiden letztlich Frank Nahrendorf mit seinem gefahrenen Traber Miracel FO. Kaum zusammengetroffen, hatten die Pferde wieder Spaß an der Sache und trabten in der hereinbrechenden Dunkelheit flott dem Ziel entgegen. Dieses Ziel für die längste Strecke ist in der „Griesen Gegend“ nicht einfach ein Schildchen. Wer hier im Dunkeln ankommt, wird empfangen von einer beeindruckenden Fackelgasse und unter dem tosenden Applaus aller Teilnehmer und Helfer. Ein sehr besonderer Moment.

Beim letzten Vortraben im Fackelschein hielten alle die Luft an. Man konnte eine Stecknadel fallen hören. Beide durch! Der Beifall wird so manchen Fuchs und Hasen geweckt haben, die sich längst „Gute Nacht“ gewünscht hatten. Zur Krönung des Erfolges erhielten beide Pferde am Folgetag noch den „Best Condition“ für ihre unterschiedlichen Wertungskategorien.

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Die 120 km lange Strecke gewann Lutz Petersen mit seiner aus Serenity-Linien selbstgezogenen zehnjährigen Vollblutaraberstute „Ameen Malika“. In der ausgeschriebenen VZAP-Wertung hatte er damit das schnellste Pferd auf der längsten Strecke sicher und in bester Verfassung ins Ziel gebracht. Platz drei auf dieser Streckenlänge teilten sich Tammy Steimke mit ihrem AV-Wallach „Authentic Moufid“ (v. El Ahhim Shah aus einer Al Kidir-Tochter) und Heike Kalina auf „Charisma Bint Masahib), die den ersten Ritt dieser Länge bestritt. Die neunjährige Araberstute stammt von dem bekannten Distanzhengst Masahib aus einer Hundertmeiler-Stute von „Al Adiyat Inshass“.

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Im bemerkenswerten Tempo 3,75, also 16 km/h, siegte auf 81 km Claudia Bretthauer. Weder ihr noch der zwölfjährigen Stute sah man die Anstrengung an, als sie vergnügt das Ziel erreicht hatten. „Altanas Samarra“ ist eine rein polnisch gezogene Vollblutaraberstute von „Weteran“ aus einer „Saudi“-Tochter. Bewährte Rennlinien finden sich im Pedigree der drahtigen braunen Stute.

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Ein besonderes Urgestein des deutschen Distanzfahrerlagers siegte auf der 81-km-Fahrt. Fragt man ihn nach seinem Alter, bekommt man zu hören: “35! … geboren!”. Dieter Starke, früher unterwegs mit Isländern, später mit einem Orlow-Traber-Gespann, mehrmaliger Deutscher Fahrer-Vizemeister mit weit über 5000 km in der Wertung, hatte „Kapsido“ angespannt. Der edle siebenjährige Vollblutaraber, ein Sohn des polnisch gezogenen „Priamos“, stammt aus Mutterlinien des Zoo Duisburg. Es ist sehr zu hoffen, dass das junge Pferd diesen Ausnahmesportler weiter über viele erfolgreiche Wettkämpfe ziehen wird!

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Die 80-km-Strecke hatte nur 2 Starter. Diese Länge, die gerade noch ein mittlerer Distanzritt ist, wird für die internationale „Novice-Qualification“ sechsjähriger Pferde genutzt. Die AV-Stute Naheefa, eine „Kamerton“-Tochter, gezogen im Gestüt Vogelsberg, konnte sich hier wieder einmal bewähren.

Die vordersten Plätze auf den Streckenlängen über 40 und 61 Kilometer waren in diesem Jahr „fest in der Hand“ anderer Rassen. Das könnte sich durchaus bald ändern, denn schon im Frühjahr 2014 ergibt sich wieder die Gelegenheit, die „Griese Gegend“ für ein Wochenende zu besuchen. Seit 2004 wird die „Stuck Distanz“ im Mai jeden Jahres ausgerichtet. Die Frühlingsveranstaltung ist als Mehrtageritt ausgeschrieben und Neues gibt es in diesem Landstrich noch genug zu entdecken!

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