Deutschland als Exportland

Von da an ging die Entwicklung rapide aufwärts. Spätestens mit dem Boom der AV-Zucht in den USA, der einherging mit der wachsenden Popularität der zuvor fas unbekannten „Russen“, entwickelte sich Deutschland auch zum Exportland. Exportiert wurden allerdings weniger „deutsche“ Pferde, sondern solche, auf die die Bezeichnung „reinrussisch“, „rein polnisch“ oder auch „straight Eayptain“ passte, und deren tatsächliches Herkunftsland jenseits des Atlantiks eher verschwiegen wurde. Selbst Pferde mit russischem Vater und deutschem Mutterstamm bekamen in den USA das Siegel „Russian“ verpasst.

So kam auch Deutschland der große Aufschwung in den 70er-80er Jahren. 1975 fand die erste zentrale Körung für arabische Hengste statt; bisher waren Araber bei den Landesverbänden mitgelaufen.

Der erste Siegerhengst hieß Elemi v. Pietuszok, stammte aus Polen und gehörte dem damals im Aufbau befindlichen Gestüt Ostenfelde, das in den Folgejahren zu einer der größten Zuchtstätten polnischer Vollblutarabern außerhalb Polens wurde und ebenfalls viel in die USA exportierte.

Elemi erwies sich allerdings als steril. In den frühen 70er Jahren gab es auch erstmals eine international Araberschau in Deutschland.

Sie fand in Verden an der Aller statt und erwies sich im Nachhinein als „Who’s who“ der internationalen Zucht, sah man dort doch den später für eine sechsstellige Summe nach USA verkauften polnischen Vererber El Paso oder den noch frisch importieren Shaker el Masri.

 Ansata Halim Shah (Ansata Ibn Halima x Ansata Rosetta) (Foto: E. Escher)
Das Schauwesen kam Ende der 70er richtig in Gang. 1978 fand eine große internationale WAHO-Schau in Hamburg statt, auf der die Champions unter anderem Kilimandscharo, Estopa und El Shaklan hießen, und wo auch erstmals ein Araberrennen auf deutschen Boden stattfand. Ein Jahr später kam die erste Schau in Aachen, auch sie bereits international, und mit der Zeitschrift „Arabisch Pferde“ gab es erstmals ein Presseorgan, das sich ausschließlich dieser Rasse widmete.

Von da an gab es kein Halten mehr. Neue Gestüte entstanden, und schon bald wäre es nicht mehr möglich gewesen, die alle in einem Buch zu besprechen. Eine Besondere Stellung kommt hier dem Gestüt Saalegrund zu, das als eines der ganz wenigen Gestüte auf der Basis der alten Marbacher und Achentaler Linien züchtete und das mit großem Erfolg.

 Mansul (Sawih Ibn Wisznu x Mekka), geb. 1975, Gründerhengst des Gestütes Saalegrund der Familie Koch. (Foto: E. Escher) Unvergessen der Hengst Mansul und seine Töchter, alle in leuchtender Fuchsfarbe, di im In- und Ausland Siegerschleifen sammelten.

Von den älteren Zuchtstätten war besonders das Gestüt Ismer erfolgreich, das eine große Spannbreite von Blutlinien pflegte und das bis heute noch tut – dort gibt es „reine“ Polen und Ägypter ebenso wie die Nachkommen der Marbacher oder Achentaler Linien, die das Gestüt in den 60er Jahren mit gründeten.

Die alten Linien pflegte weiteren die Zuchtstätten von Dr. Entress und Dobimar von Kameke in Grabau, während andere Züchter der ersten Stunde umstellten auf ägyptische Linien, darunter auch das Gestüt El Shams und das Gestüt Filsinger.

Die polnischen Linien pflegte vor allem das Gestüt Ostenfelde der Familie Thörner, die russischen das Gestüt von Silvia Garde-Ehlert in Overath, und auch für die englischen Vollblutaraber gab es einige Liebhaber, aber nie auf so großer Ebene wie bei den anderen.

Eine Minorität bilden bis heute auch die spanischen Vollblutaraber, die auf breiter Ebene eigentlich nur im Gestüt Karolinenhof gepflegt werden, und das mit großem Erfolg.

Das Gestüt Om el Arab, das seinerzeit mit den Spanien-Importen den Anfang machte, kreuzte diese Linien mit Ägyptern und entwickelte den so genannten „Golden Cross“, dessen prominentester Vertreter El Shaklan war – der wahrscheinlich weltweit einflussreichste Hengst, der jemals in Deutschland gezogen wurde.

Auch seine Nachkommen waren ausgesprochen Exportschläger.

Maysoun (Ansata Halim Shah x Maysouna) (Foto: E. Escher)
Eine besondere Stellung nimmt die Zucht der damaligen DDR ein, die sich weitgehend unabhängig entwickelte. Die meisten Stammpferde kamen aus Polen, vor allem die der größten Zuchtstätte, des Zoos Rostock; einige dieser Pferde – vor allem der Hengst Akif – nahmen auch an der Entwicklung in Westdeutschland teil, wenn auch von ihrer Mitwirkung heute nur noch wenig zu spüren ist.

In der Privatzucht gab es vereinzelt auch Achentaler Linien, vor allem die der aus Bábolna stammenden Stute Rozka. Später kam in Tausch gegen eine Stute der Kaisoon-Sohn Kaidal II in die DDR und war innerhalb dieser nicht sehr umfangreichen Zucht sehr einflussreich.

Mit dem Fall der Mauer 1990 kam es dann auch vermehrt zum Blutaustausch, auch wenn dieser eher einseitig verlief: den Züchtern im Osten stand auf einmal die ganze Vielfalt der internationalen Blutlinien offen, wovon sie auch reichlich Gebrauch mach(t)en; während die dort gezogenen Pferde im Westen nur wenig Liebhaber fanden. Das war bei anderen Rassen auch nicht anders.