Das 40-jährige Jubiläum steht zwar erst 2024 an, doch das 39. ANC-Wochenende in Aachen war schon jubiläumswürdig. Vier Veranstaltungen an dreieinhalb Tagen – so viel Aachen war noch nie, noch war das Angebot an Wettbewerben je so vielfältig. Es war wirklich für Jeden etwas dabei.

Erogant, Sieger Western Pleasure

Nach der Einigung zwischen dem VZAP und dem EBT war auch die Arabian Futurity Europe mit ihren Junioren-Championaten zurück in der Albert-Vahle-Halle und eröffnete am Donnerstagnachmittag das lange Wochenende. Wer früh genug anreiste, konnte sich an den großen Qualifikationsklassen der Stutfohlen erfreuen, bevor es am Freitag mit den nationalen Championaten weiterging, diesmal bereits frühmorgens. Denn hier gab es eine von mehreren interessanten Neuerungen: Vor den Klassen wurden alle Pferde zunächst im Freilauf in der kleinen Halle gezeigt. Und sie zeigten sich von ihrer besten Seite. Gerade im Freilauf entfaltet das arabische Pferd seine ganze Schönheit, ebenso wie sein ganzes Gangvermögen. Erstmals konnte so auch eine Note für den Galopp in die Bewertung einfließen, und auch den Trab zeigt das Pferd besser, wenn es nicht durch einen zu langsamen oder zu hektischen Vorführer behindert wird. Von dieser Vorstellungsart profitieren gerade solche Pferde, die nicht monatelang hochprofessionell trainiert wurden, was sich auch in den Ergebnissen widerspiegelte. Dass das Gestüt Ismer als älteste Privatzucht in Deutschland die meisten Titel holte und das Haupt- und Landgestüt Marbach ebenso wie einige kleinere Züchter in den Medaillenrängen vertreten war, machte es diesmal wirklich zu einem deutschen Nationalchampionat.

Bei den nachfolgenden Championaten der Arabian Futurity Europe durften sich auch einige deutsche Aussteller und/oder Züchter über schöne Erfolge für ihren Nachwuchs freuen: Insgesamt fünfmal kamen deutsche Pferde in die Top Five, darunter zwei Bronze-Titel.

Der All Nations Cup selbst ist zwar (wie alle Schauen in Europa) deutlich geschrumpft, bleibt aber nach wie sowohl die größte Araberschau Europas als auch die populärste. Das liegt auch an der einzigartigen Atmosphäre dieser Veranstaltungen. Der Einmarsch der Teilnehmer zu den Klängen des Triumphmarsches aus „Aida“, die traditionelle Flaggenparade der teilnehmenden Nationen zur Eröffnung der Championate am Sonntag – das sind echte Gänsehautmomente; auch (oder gerade) wenn man schon seit Jahrzehnten dabei ist. Wer gewinnt, das ist – zumindest aus der Perspektive der Zuschauer – eigentlich egal, weil es auf diesem Level alle verdient hätten. Deutsche Teilnehmer suchte man diesmal leider vergebens, obwohl – wie die Ergebnisse der Futurity zeigen – sie sich nicht verstecken müssen. Hut ab also vor den Nachbarn aus Belgien, den Niederlanden, der Schweiz und auch den unermüdlichen Ausstellern aus Großbritannien, die scheinbar weniger Berührungsängste haben und sehr gut mithalten können.

Doch auch, wer mit Schauen gar nichts anfangen kann, kommt in Aachen auf seine Kosten. Parallel zur Schau läuft an drei Tagen das Turnier, diesmal mit einem so vielfältigen Angebot wie nie zuvor. Zusätzlich zu Springprüfungen bis Klasse L und Dressurprüfungen bis Klasse S gab es dieses Jahr verschiedene Klassen für Westernpferde sowie die ECAHO-Reitklassen Classic Pleasure, Western Pleasure und Hunter Pleasure, bei denen auch Geldpreise der Arabian Futurity Europe vergeben wurden und die dementsprechend gut besetzt waren. Die große Mehrzahl der Turnierpferde waren übrigens Vollblutaraber. In den Western- und den ECAHO-Klassen waren sie ganz unter sich, aber auch in den klassischen Disziplinen hielten sie locker mit. Die meisten Spring- und Dressurprüfungen wurden in zwei Abteilungen gewertet, je eine für Vollblutaraber und eine für die anderen Rassegruppen. Die Ausnahmen bildeten das L-Springen und die S-Dressur, die jeweils höchsten Klassen der beiden Disziplinen. Dass in beiden Prüfungen Vollblutaraber siegten, beweist eindrucksvoll, dass sie den Vergleich mit den „anderen“ nicht scheuen müssen.

Auch die deutsche WAHO-Trophy, die im Rahmen der ANC-Championate vergeben wurde, ging dieses Jahr an einen Sportler. Der 19-jährige VA-Wallach CH Silverlight (Azjaa x Silver Riole), aus polnischen, russischen und Crabbet-Linien gezogen und im Besitz von Verena Böckle, kann auf eine beeindruckende Karriere als Westernpferd zurückblicken. Er war nicht nur viermal Europachampion der Sportaraber (davon je zweimal in den Klassen Reining und Ranch Riding), sondern auch hocherfolgreich in gemischter Konkurrenz. So war er u.a. Deutscher Jugendmannschaftsmeister (rasseoffen) und gewann noch mit 16 Jahren das NRHA-Bundeschampionat (Reining) in Konkurrenz zu Quarter Horses. Für seine Lebensleistung erhielt er von der EWU die Goldene Plakette in der Disziplin Reining und die Silberne Plakette in der Disziplin Ranch Riding, und nun auch – hoch verdient – die WAHO Trophy.

Eine weitere Neuerung in diesem Jahr war der sehr schön und informativ aufgemachte Stand der VZAP, der mit einer gemütlichen Sitzecke zum Verweilen einlud und wo man auf einem großen Bildschirm das Turnier im Livestream verfolgen konnte. Nebenan als weiterer Neuzugang ein Stand für das Gastland Polen mit seinen Staatsgestüten. Dies soll ein Anfang sein; im nächsten Jahr wird sich dort eine andere teilnehmende Nation präsentieren.

Denn man darf nicht vergessen: der All Nations Cup war und ist auch ein Anlass für eine friedliche Zusammenkunft aller Nationen, vereint in ihrer Begeisterung für das arabische Pferd. Und das ist in der heutigen Zeit aktueller und wichtiger denn je.

Betty Finke

Beitragsbild: IS-Et-Tu-und IS-Essencia, Nationales Championat