Korda: 30 Jahre auf den Beinen

Distanzpferd feierte Geburtstag

.24.10.2013 | Fotos: privat | Text: Friederike Borowsky .

Araber werden alt – auch und gerade, wenn sie viel geritten werden! Wichtigste Voraussetzungen, die sicher für alle Pferde gelten: Nicht zu früh belasten, sehr allmählich die Anforderungen steigern, nie an die Grenzen gehen. Speziell für Distanzpferde, aber auch für alle anderen Sportpferde soll nach einhelliger Meinung all derer, die sich mit Sportpferde-Physiologie und -Training beschäftigen, der Anteil an „LSD“ – long, slow distance – sehr hoch sein.

Ein Beispiel für ein Pferd, das seit 26 Jahren so geritten wird, ist die Araberstute Korda, die in diesem Jahr ihren 30. Geburtstag erlebte. Mit vier Jahren angeritten (Western), erste kurze Distanzen mit sechs, Langstrecke von neun bis neunzehn. Über 100 Ritte insgesamt, fast 6700 Kilometer in der Wertung, über 5200 davon auf  mehrtägigen (MTR) oder langen Distanzen (LD). In der seit 1998 fortlaufenden Statistik des VDD-Langstreckenchampionats (bis 2011 Langstreckenpreis) liegt sie immer noch auf Platz elf, obwohl sie seit dem Jahr 2000 keine Distanzen mehr gelaufen ist. Korda ist das einzige lebende Langstreckenpferd aus der ersten Hälfte der achtziger Jahre – und sie wird noch ein wenig geritten.


Korda 30-jährig

Korda ist bis auf wenige Prozent Vollblutaberin – allerdings gibt es weit hinten im Pedigree einen Achal Tekkiner sowie zwei Mal Nigra Zscheiplitz, was sie zur Araberin macht. Zu den illustren Vorfahren gehören Großvater Hadban Enzahi und Urgroßvater Jasir aus Marbach, Wisznu und Halef tauchen je zwei Mal auf. Diese beiden haben ebenfalls lange Strecken hinter sich gebracht (als Jungtiere von Ostpreußen/Polen gen Westen) – vielleicht ist dies für ein Distanzpferd noch besser als „Rennleistungsblut“? Einer der Großväter war Widukind, der als Masterpferd viele Jagden ging. Züchter war Wilhelm Kelle aus Barkhausen/Minden.


Korda 1992

Korda hätte vermutlich noch ein paar Distanzjahre mehr unter den Hufen, wenn nicht die junge Nachwuchsstute ihr im Alter von 19 Jahren einen so heftigen Tritt gegen ein Sprungelenk verpasst hätte, dass sie eine Arthrose mit nachfolgender dauerhafter Gangunreinheit ausgebildet hätte. Dieser Tritt beendete die Distanzlaufbahn. Im schneereichen Winter 2010, der sämtliche Bewegungsmöglichkeiten in Paddock und Gelände fast gegen Null brachte (auch eine Fahrt zur Reithalle war nicht mehr denkbar), sah es dann fast so aus, als ob die Arthrose zu einem baldigen Lebensende führen würde. Aber nach vielen Wochen wurden die ersten kleinen Ritte wieder möglich, Korda erarbeitete sich wieder genügend Beweglichkeit, und im Sommer mochte sie auch wieder traben.


Korda 25-jährig

Grosse Ausdauer und Beharrlichkeit zeichneten die Stute schon immer aus. Zwar war sie in jeder Herdenkonstellation eher zurückhaltend, bekam aber stets, was sie wollte: in erster Linie Nähe und Anlehnung an die jeweilige Leitstute bzw. an andere Pferde, die ihr sympatisch waren oder während vieler Stunden auf einem Ritt bzw. im Nachbarpaddock wurden. Mehr als einmal entwickelte sich diese Sympathie so stark, dass sie unter dem E-Zaun hindurch schlüpfte, wenn das Nachbarpferd zur Untersuchung geführt wurde.

Mit freundlichen Pferden konnte man sie stets leicht vergesellschaften, auch ein gemeinsamer Paddock war schnell möglich. Sensibilität und Menschenbezogenheit zeigte sich bereits im Jährlingsalter. Nachdem ihre Besitzerin einmal auf Eis ausrutschte und der noch sehr unausbalancierten Stute vor die Hufe fiel, wackelte diese auf drei Beinen mit aufgehobenem Vorderbein über ihr, trat aber nicht auf sie. Ebenso empfindsam war der Umgang mit jungen Katzen, die im Stall geboren worden waren und den Pferden um die Hufe wuselten – und mit allem andere Getier, das im Laufe der Jahre in Paddock und Offenstall siedelte.

Korda konnte sehr schnell werden, einmal absolvierte sie einen über 100km-Ritt in Tempo 3. Das blieb nach dem Willen ihrer Besitzerin aber die Ausnahme. Dennoch beendete das Paar zwei Drittel auch der langen Ritte auf einem der ersten drei Plätze. Hundertmeiler lief sie ab elf Jahren. Sie litt dort aber immer Hunger, weil auch die langen Pausen auf „Hannover-Hamburg“ oder „Marathon Nord“ (der ein einziges Mal als eintägiger 160km-Ritt veranstaltet worden war) und „Spezialfutter-Buffets“ nicht ausreichten. Daher musste sie später nicht mehr auf die „Hungerritte“ gehen, Mehrtageritte wurden ihre Spezialität, von denen sie einige gewann.

Korda lief sehr flüssig und hatte einen recht ordentlichen Trab entwickelt, so dass sie auch für Tempi unter 4 (Minuten pro Kilometer = 15 km/h) nicht viel galoppieren musste. Das tat sie allerdings immer sehr gern, denn Galopp in jedem Tempo, besonders auch sehr langsam und leicht „dahingetupft“, war schon im Fohlenalter ihre Spezialität. Dafür dauerte es Jahre, bis sie im Schritt voran kam. Intensives Training ließ sie allerdings später einen sehr flotten Walk entwickeln, der über Kilometer bei fast neun km/h lag. Mehrere Wanderritte ab dem Alter von sechs Jahren, einige davon über mehr als zwei Wochen, der längste: einer der Equitana-Ritte von Berlin nach Essen förderten das gute Grundtempo in Schritt und Trab.

Selten gab es Wochen, in denen Korda weniger als 30 Kilometer unter dem Sattel war bzw. als Handpferd mitlief. Das lernte sie schon als Jährling, später wurde gewechselt: Die ältere Stute wurde abgesattelt, Korda trug einen allmählich länger werdenden Teil der Trainingsstrecke die Reiterin. Diese war immer dieselbe: Korda hatte sich auf ihre Besitzerin sehr stark eingestellt, die wenigen Versuche, andere (gute und leichte) Reiterinnen annehmbar werden zu lassen, scheiterten daran, dass Korda sich sichtlich verunsichert zeigte und kaum noch voran gehen mochte.


Korda mit Handpferd

Winterpausen gab es nie, allerdings im vergangenen Frühjahr nach dem 30. Geburtstag eine Zwangspause nach einer Huflederhauteintzündung. Trotz der Befürchtung, dass es sehr schwer werden würde, ein so altes Pferd nach dieser Zeit wieder in Gang zu bekommen, war leichte Bewegung bald wieder gut möglich, auch unter dem Sattel.

„Use it or loose it“: Wahrscheinlich ist die über 14jährige Distanzkarriere sowie die bislang 26jährige Zeit unter dem Sattel mit darauf zurückzuführen, dass Korda immer in Bewegung war: Stets im Offenstall mit großem Paddock und auf der Weide, mit geschätzten 40 bis 50.000 Kilometern unter dem Sattel – und auf eine Weise geritten, die Ruhepausen selten wirklich nötig machte. Sehnen und Rücken, Zähne und Verdauung sind übrigens noch ganz hervorragend, auch der Fellwechsel klappt unauffällig.

Es gab durchaus Verletzungen, auch war Korda in der ersten zehn Jahren kein sehr „hartes“ Pferd: Neigung zu Sommerekzem, zu Phlegmonen bei leichten Hautverletzungen, emfindliche Hufe machten sie nicht zum idealen Distanzpferd. Aber mit den Jahren wurde sie deutlich unempfindlicher, die meisten langen Ritte bis 120km auf LD bzw. über 200km auf MTR absolvierte sie später barhuf, die Ekzemneigung verschwand völlig mit über 18 Jahren.

Möge Kordas Fähigkeit zu überdauern noch ein wenig anhalten.