Die deutsche und die internationale Araberszene haben eins ihrer Urgesteine verloren: Am 11. April dieses Jahres ist Holger Ismer, internationaler Richter und lange Zeit Leiter des größten und ältesten privaten VA-Gestüts in Deutschland, nach schwerer Krankheit verstorben.

Holger Ismer wurde in die Araberzucht hineingeboren und ist darin groß geworden. Sein Vater Rolf Ismer hatte bereits  in den 1960er Jahren damit begonnen, Reitponystuten mit arabischen Hengsten zu veredeln. Mit dem Kauf der Marbacher Stute Shari I und der Übernahme mehrerer Stuten und des Hengstes Wisznu vom Gestüt Achental im Jahr 1964 schlug die Geburtsstunde des Gestüts Ismer, das eine wichtige Rolle beim Aufbau der deutschen Vollblutaraberzucht spielt.

Nach der Übernahme durch Holger Ismer entwickelte es sich in den 1980er Jahre auch zu einer internationalen Größe. Schon zu Beginn der 1970er Jahre wurden enge Beziehungen mit Polen gepflegt; das Gestüt importierte als erste deutsche Zuchstätte Vollblutaraber aus Polen und war eine Zeitlang sogar einziger Importeur dieser Pferde in Deutschland. Das änderte sich zwar, doch Holger Ismer holte auch danach immer wieder Pferde aus Polen, ebenso polnisch gezogene Pferde aus anderen Ländern, unter anderem dem schwedischen Gestüt Blommeröd. Holger Ismer war ein Pionier in vielfacher Hinsicht. Er setzte schon früh auf internationale Zusammenarbeit zwischen europäischen Züchtern, sowohl beim Austausch von Pferden als auch bei der Vermarktung. Als erster deutscher Züchter rief er internationale Auktionen ins Leben, die Ismer Sales, bei denen sowohl eigene als auch Pferde aus befreundeten Gestüten  versteigert wurden. Als mit Gründung des DRAV Mitte der 70er Jahre Araberrennen als Leistungsprüfung eingeführt wurden,  war er selbstverständlich dabei – und gewann mit der selbstgezogenen Stute Wileika 1977 gleich das erste offizielle DRAV-Rennen. Im Gestüt Ismer richtete er das erste Trainingszentrum für arabische Rennpferde ein. Als die Araberschauen in Deutschland Einzug hielten, war er auch da von Anfang an dabei und etablierte bald eine Schau im eigenen Gestüt; die einzige deutsche Araberschau neben Aachen, die sich bis heute gehalten hat.

Eine Schau in Aachen ohne Holger Ismer und seine Pferde war in den 1980er Jahren kaum denkbar. Unvergessen das Jahr 1982, als sein Hengst Madkour I und seine selbstgezogene Stute Wileika die nationalen Seniorenchampionate gewannen – ja, dieselbe Wileika, die 1977 auf der Rennbahn triumphierte. Heute ist so etwas kaum denkbar; ebenso wie der Umstand, dass Holger Ismer seine Pferde stets selbst vorstellte, auch als es bereits Profi-Trainer gab.

All seine züchterischen Erfolge aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Man denke nur an die einmalige Passer-Paarung Madkour I x Shiwa, deren Produkte serienweise Titel gewannen und die ihren Höhepunkt in dem strahlenden Champion Mashour hatte. Madkour I war der erste rein ägyptische Hengst im Gestüt Ismer, aber nicht der letzte, denn Holger Ismer erweiterte die deutsch-polnische Blutbasis des Gestüts auch mit neuen Ägyptern, so dass es bald auch Ägypter aus eigener Zucht gab. Hier ragt vor allem der Elitehengst Siam (Madkour I / Sehnab) heraus, der die eigene Zucht stark beeinflusste. Erwähnt werden muss auch der von Holger Ismer gezogene, rein polnische Hengst Penthagonn, dessen Vater Pasat er aus Polen importiert hatte. Durch ihn kehrte die in Deutschland verlorene Bairactar-Linie zurück nach Marbach. So hat seine züchterische Tätigkeit selbst im altehrwürdigen Haupt- und Landgestüt bleibende Spuren hinterlassen.

Es sollte auch nicht vergessen werden, dass aus Holger Ismers Zucht hervorragende Shagya-Araber kamen, etwa der Hengst Gadar und dessen Sohn Galan, der im Springen brillierte und auch für die Warmblutzucht anerkannt war. Dazu gab es in den 80er Jahren eine kleine, aber feine Anglo-Araberzucht auf polnischer Basis. Dass die Familie Ismer 2019 von der FN mit der Graf-Landsberg-Velen-Medaille ausgezeichnet wurde, ist zu großen Teilen auch Holger Ismers Verdienst.

Im Jahr 2007 übergab Holger Ismer die Gestütsleitung an seinen Sohn Nils. Von der Bildfläche verschwunden war er damit aber nicht, denn er richtete bis zuletzt auf Schauen im In- und Ausland als einer, für den bei einem arabischen Pferd mehr zählt als nur die Form des Kopfes. Erst Ende September 2022 beendete er seine Richtertätigkeit beim All Nations Cup in Aachen, wo er offiziell verabschiedet und geehrt wurde. Doch damit, dass dies sein letzter Auftritt bei einer Veranstaltung mit arabischen Pferden war, hatte wohl niemand gerechnet.

Wir verlieren einen engagierten Pferdefachmann, der sich um die Araberzucht verdient gemacht hat.

Unsere Anteilnahme gilt der ganzen Familie Ismer.

BF