Zum Distanz-Saisonauftakt in Gartow:
Interview mit Olaug Espeli Carstensen
5.5.2011 | Fotos: Miriam Lewin www.endurance-Photo.com | Interview: Saskia Storm .
Zum ersten deutschen internationalen Distanzsport-Event in diesem Jahr vom 8. bis zum 10. April reisten Reiter aus zwölf Nationen an, um auf Streckenlängen bis 160 km die Verfassung der Pferde zum Saisonauftakt zu überprüfen. Vor allem die Skandinavier konnten sich zu diesem Zeitpunkt schon mit äußerst fitten Pferden im Starterfeld abheben. Aus diesem Grund haben wir ein Interview mit der Norwegerin Olaug Espeli Carstensen geführt, die mit ihrem Shagya Araber Al-Thaka Mellemgard die 160 km bestritt.
S.Storm: Was treibt eine Norwegerin wie dich zu einem CEI nach Deutschland?
Olaug Carstensen: Ich möchte mich gerne für die diesjährigen Europameisterschaften in Florac (Frankreich) qualifizieren. Aus diesem Grund habe ich die Chance zur Qualifikation in Gartow wahrgenommen und habe mich auf den langen Weg nach Deutschland gemacht.
S.Storm: Was für einen Eindruck hast du von der Veranstaltung in Gartow mitgenommen?
O.E.C.: Die Veranstaltung war sehr gut organisiert und die Strecke konnte man als äußerst sandig und flach bezeichnen, doch zum Teil war der Sand auch recht tief. Das Schöne an diesem Wochenende war, dass ich während des ganzen Rittes den Frühling genießen konnte.
S.Storm: Wie bist du überhaupt zum Distanzreiten gekommen und was für ein Pferd bist du damals geritten?
O.E.C.: Bei uns in Norwegen gibt es sehr kräftige Fjordpferde, die daran gewöhnt sind, hier durch die Berge zu laufen. Auch ich habe mit einer Fjordstute angefangen Distanzritte zu reiten. Aus dieser Stute habe ich ein Fohlen gezogen, Nelly, die international über 160 km schon sehr erfolgreich gelaufen ist. Sie hat einen eisernen Willen und wir sind einfach ein Team. Ich glaube, sie würde mit mir „zum Mond traben“.
S.Storm: Wie lange reitest du jetzt schon internationale Distanzritte und wie erfolgreich bist du in Norwegen?
O.E.C.: Ich reite jetzt seit sieben Jahren internationale Distanzritte und im norwegischen Nationalteam gibt es momentan vier Reiter – ich bin eine davon.
S.Storm: Was machst du eigentlich hauptberuflich, um dir den Distanzsport zu finanzieren?
O.E.C.: Ich arbeitete als Krankenschwester, allerdings habe ich vor zwei Jahren einen Reitschulbetrieb eröffnet und biete seitdem therapeutisches Reiten für Jugendliche und Erwachsene mit geistigen und körperlichen Behinderungen an. Auch Al-Thaka, mein 9-jähriger Shagya Wallach, mit dem ich hier in Gartow gestartet bin, wird für das therapeutische Reiten genutzt. Ich brauche für diese Form der Therapie kräftige Pferde mit einem absolut ausgeglichenen Interieur, da die Pferde auch kräftige Erwachsene tragen müssen. Neben Al-Thaka besitze ich noch drei Fjordpferde, vier Shagya Araber und acht arabische Vollblüter. Da ich nicht gesponsert werde, muss ich mein Geld mit der Arbeit mit den Pferden selbst verdienen. Zwar ist es anstrengend, aber es erfüllt mich mit großer Zufriedenheit.
S.Storm: Wie wichtig ist die Jugendförderung für dich, da du ja in Gartow der 14-jährigen Jeanne Holum deinen erst sieben Jahre alten Yassir ox für den CEI über 90 km zur Verfügung gestellt hast?
O.E.C.: Mir ist die Förderung der Jugendlichen sehr wichtig. Dafür opfere ich jedes Wochenende während der Saison von Januar bis Oktober, um mit ihnen auf Distanzritte zu fahren oder zu trainieren. Wenn die Jugendlichen keinen Trainer haben, ist es ungemein schwerer für sie, erfolgreich lange Distanzritte zu absolvieren. Gerade auch für die Pferde ist es umso wichtiger, professionell angeleitet zu werden.
Jeanne hat fünf Tage pro Woche sehr hart auf diesen Wettkampf hin trainiert und ich bin unheimlich stolz auf sie. In Gartow ist sie ihren ersten internationalen Ritt gestartet und belegte gleich den zweiten Platz. Aber als Krönung wurde Yassir noch der Konditionspreis verliehen, was sowohl ihre als auch meine Arbeit sehr belohnt hat.
S.Storm: Dass zum Distanzsport nicht nur Pferd und Reiter gehören wissen wir längst. Die Crew leistet während des Rittes einen entscheidenden Beitrag zum Erfolg. Du hast einen deutschen Groom in Gartow dabei gehabt, wie und wo habt ihr euch kennengelernt und was verbindet euch?
O.E.C.: Normalerweise trosst mich mein Ehemann Olle, doch da wir mit zwei Pferden in Gartow waren benötigten wir dringend noch einen weiteren Groom. Also fragte ich Kirsten Baginski, da wir uns auf einem internationalen Distanzritt in Dronninglund kennengelernt haben. Dronninglund ist einer der schwierigsten Ritte in Dänemark und wie ich mich erinnere, fand Kirsten es dort sehr bergig (als Flachlandreiterin aus Schleswig-Holstein). Ich dagegen empfand es dort als relativ flach im Gegensatz zu den Gebirgszügen in Norwegen.
Auf dem CEI in Kopenhagen trafen wir uns dann wieder. Sie half mir mein Pferd zu behandeln und ich war begeistert, mit was für einem Einfühlungsvermögen sie sich um mein Pferd kümmerte. Kirsten ist wie ich auch Krankenschwester und reiste vier Jahre lang als „Weltenbummlerin“ um die Welt, wo sie ihr Geld mit der Arbeit mit Pferden verdiente. Dort hat sie gelernt die Pferde ganz genau in ihren Verhaltensweisen zu beobachten, was dazu geführt hat, dass sie in meinen Augen eine „Pferdeflüsterin“ ist.
S.Storm: Kann man sagen, es hat sich eine deutsch-norwegische Freundschaft entwickelt?
O.E.C.: Absolut, denn wir haben vieles gemeinsam: Wir lieben beide das Reisen und Abenteuer, aber genau so auch das arabische Pferd. Seit vielen Jahren kommen wir auf unseren Reisen zu europäischen Distanzritten zu Kirsten und ihrem Mann Bodo. Sie haben immer für uns und unsere Pferde ein Bett und eine Box, denn sie besitzen selbst einen kleinen Stall mit einer Zucht für arabische Pferde. Ganz besonders habe ich mich für Kirsten gefreut, als ihre Mühen für ihre Zucht belohnt wurden und sie mir erzählte, dass ihre Anglo-Araber-Stute eine Verbandsprämie erhielt und im selben Jahr auch noch ein Prämienfohlen zur Welt brachte.
S.Storm: Bleiben wir mal bei der Zucht: Wie wichtig ist gute Abstammung für dich, wenn du ein Distanzpferd aussuchst?
O.E.C.: Es ist schon gut zu wissen, ob die Pferde aus einer Leistungszucht kommen, doch jedes Pferd ist anders. Das wichtigste ist der Wille des Pferdes und ganz besonders wichtig sind gute, starke Beine. Viele gute Distanzpferde sind auch arabische Halbblüter.
S.Storm: Nun eine letzte Frage: Welche Ziele möchtest du kurz- und langfristig erreichen?
O.E.C.: Wie zu Anfang erwähnt möchte ich in diesem Jahr die Europameisterschaften in Florac in Angriff nehmen und im nächsten Jahr strebe ich die Weltmeisterschaft im Distanzreiten in England an.
S.Storm: Dafür wünschen wir dir alles Gute und weiterhin viel Erfolg mit deinen Pferden!
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